Beim Packen der Boote merken wir dann allerdings, dass unsere letzte Paddeltour doch eine Weile her ist und uns die Routine beim Packen etwas verloren gegangen ist. ¨Wo packe ich denn nun meinen Schlafsack hin? Und warum passt der Klamottensack nicht mehr rein?¨ So dauert das Packen der Boote länger als gewohnt. Außerdem düst Michael noch schnell zur Sparkasse, um uns mit etwas Bargeld zu versorgen. Wir wollen heute bei einem kleineren Zeltplatz übernachten, der wahrscheinlich keine Kartenzahlung akzeptiert.
Außerdem ist es im Spreewald Pflicht, die Boote in 10 cm großen Buchstaben zu kennzeichnen. Also kauft Michael bei der Rezeption noch Buchstaben mit unseren Initialen, die wir dann jeweils vorne und hinten an unseren Booten anbringen.
Gegen 12 Uhr schieben wir die Kajaks dann endlich am Steg direkt neben der Zeltwiese ins Wasser. Die Sonne scheint angenehm warm an diesem Julimittag, ohne dass es jedoch zu heiß ist. Perfektes Paddelwetter!
¨Ganz schön mutig, hier ohne Wasserwanderkarte loszupaddeln¨, hatte am Vorabend noch der nicht ganz so freundliche Rezeptionist vom Campingplatz unsere Paddelplanung kommentiert. Wir haben dann zwar noch schnell beim ihm eine Faltkarte für 4 Euro gekauft, sehen jetzt aber, dass man die zumindest in diesem Teil des Oberspreewalds nicht so dringend gebraucht hätte. An den Flußkreuzungen stehen Wegweiser mit Entfernungsangaben, so wie wir das bei uns zu Hause für die Fahrradwege kennen, so dass man sich nicht wirklich verfahren bzw. verpaddeln kann.
Wir paddeln durch das Bürgerflies wie durch einen Urwald zur Kassoaschleuse. In unserem Paddeltourenbuch steht, dass an den Schleusen im Sommer Kinder ihr Taschengeld aufbessern und gegen eine kleine Spende Paddler und Spreewaldkähne schleusen. Wie praktisch, denken wir uns, dann können wir schleusen ohne aus dem Boot aussteigen zu müssen. Das ist nämlich sonst gar nicht so einfach, weil wir zwei Einerkajaks haben und derjenige, der nicht schleust, das zweite Boot dann mühsam durch die Schleusenkammer bugsieren muss.
An der Kassoaschleuse werden wir jedoch nicht von Kindern, sondern von erwachsenen Männern erwartet. Vielleicht Arbeitslose, mutmaße ich. Wir trauen uns jedoch nicht, zu fragen. Sie bedanken sich für unsere Spende und wünschen uns freundlich eine gute Weiterfahrt. Weiter geht es durch die wunderschöne grüne Wasserwelt.
Zuerst wollen wir über den Bürgergraben, den Rollkanal und den Wotschofskagraben zur Spreewaldgaststätte Wotschofska, die die älteste Gaststätte im Spreewald sein soll. Bis heute kann man als Besucher nur zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Boot dorthin. Letzteres Verkehrsmittel scheinen die meisten hier zu nutzen, denn der lange Steg für Paddelboote ist rappelvoll. Wir zwängen uns irgendwie zwischen die im Wasser liegenden Kajaks und gehen an Land.
Die Gaststätte ist wunderschön unter hohen Bäumen gelegen und wirkt mit ihrem dunklen Holz und den Schnitzereien an den Giebeln als wenn sie aus einem Märchenwald hergebeamt wurde. Wir nehmen im gemütlichen Biergarten Platz und bestellen ganz spreewaldtypisch Spreewälder Sahnequark (ich) und Sahnehering (Michael).
Da es im Schatten dann doch ein wenig kühl wird (unsere Fleecejacken liegen gut verstaut in den Ladeluken der Boote), geht es nach dem Essen zügig weiter. Wir paddeln über das Bürgerfließ, den Burg-Lübbener-Kanal, den Rohrkanal und Tschapek zum Spreewalddorf Leipe. Die ganze Zeit geht es durch den wunderschönen Wald, der sich wie ein Dach über das Wasser neigt.
Wir wundern uns - überall liest man davon, dass der Spreewald im Sommer überlaufen sein soll. Wir haben jedoch bisher - mit Ausnahme des Stegs an der Gaststätte - noch gar nicht so viele Paddler gesehen. Lediglich einige Radfahrer grüßen uns vom Ufer her. Im Laufe der Tour wird es zu unserem Running-Gag, dass wir uns die menschenleeren Fließe entlang paddelnd immer mal wieder seufzend ansehen und sagen ¨Hach, ist das schön. Wenn es nur nicht so überlaufen wäre!¨ ;)
Als wir dann in Leipe auf die Hauptspree stoßen, wird es auf dem Wasser allerdings doch etwas voller. Wir wollen in Leipe einen Kaffee trinken und legen schließlich beim Spreewaldhof Leipe an. Hinter einer kleinen Wiese gruppieren sich niedlich Holzhäuser um einen Innenhof, in dem man auf dicken Holzbänken sitzen kann. Am Selbstbedienungstresen am hinteren Ende des Hofes holen wir uns unseren Kaffee und staunen im Innenhof sitzend über die niedliche Dekoration. Es wimmelt hier vor Vogelhäuschen, toll bepflanzten Staudenbeeten und in Kästen auf den Fensterbrettern sprießt knackiger Salat. Begeistert beschließe ich, zu Hause nach unserer Rückkehr auch Salat anzusäen.
Der Spreewaldhof bietet auch einen Wasserwandererrastplatz, aber wir wollen noch weiter Richtung Burg. Also paddeln wir auf der Hauptspree weiter durch Leipe. Hier sieht es so aus, wie wir den Spreewald von den unzähligen Youtube-Videos, die wir vor unserer Tour geschaut haben, kennen. Urige Häuschen mit üppigen Gärten sind vom Ufer zu sehen, alle haben sie einen eigenen Bootssteg und einige auch ihren Briefkasten zum Wasser hin. Anscheinend kommt hier sogar die Post mit dem Boot!
Hinter Leipe wird es auf der Spree schnell wieder leerer und an der Schleuse Dubkowmühle sind wir schließlich die einzigen Paddler. Diesmal muss ich schleusen, da der ¨Schleusenservice¨ wohl schon Feierabend hat (oder sich an dieser Schleuse auch einfach nicht lohnt).
Nach der Schleuse haben wir die Spree wieder ganz für uns. Die Sonne scheint jetzt am späten Nachmittag wunderschön durch die Bäume. ¨Da, ein Biber¨, ruft Michael plötzlich. Ich drehe mich schnell um, allerdings ist das Tier anscheinend schon wieder abgetaucht. Minuten später sehe ich ihn allerdings auch. Auf der linken Flußseite schaut ein pelziger Kopf mit halb geschlossenen Augen aus dem Wasser. Seelenruhig schwimmt der vermeintliche Biber an uns vorbei. Ich bin fasziniert. Einen Biber habe ich noch nie gesehen (dass unser behaarter Freund gar kein Biber war, sollten wir erst am nächsten Tag feststellen...).
An der Jedroschleuse legt sich die Freude über die tierische Begegnung dann allerdings wieder etwas. Da die Schleuse baufällig geworden war, wird sie aktuell neu gebaut. Für uns heißt das, wir müssen die Boote ca. 50 m umtragen. Die Sperrung war zwar auf der Spree durch Schilder angekündigt worden, aber irgendwie hatten wir das nicht so richtig auf uns bezogen. ¨Das ist natürlich mal wieder typisch, dass uns sowas kurz vor Ende der Tagesetappe passiert¨, denken wir uns. Wirklich genervt sind wir allerdings nicht, dafür war der bisherige Paddeltag einfach zu schön.
Zum Glück haben wir auch den Bootswaagen dabei. Da das Bootswaagengestell allerdings in Michaels hinterer Ladeluke verstaut ist, auf der wir unsere klappbaren Campingstühle festgebunden haben, brauchen wir dann doch ungefähr eine halbe Stunde, bis wir alles wieder verstaut haben und wieder im Boot sitzen.
Als wir kurz hinter der Portage in den Ostgraben einbiegen, werden wir jedoch für die Umtrageaktion entschädigt. Die Abendsonne glitzert durch die Bäume und taucht den schmalen und geschwungenen Graben in ein nahezu magisches Licht. ¨Der Zeltplatz kann nicht mehr weit sein¨, sage ich zu Michael. Obwohl wir die ganze Zeit Ausschau halten, paddeln wir dann jedoch fast am versteckt in einer kleinen Bucht liegenden Anleger des Zeltplatzes vorbei.
Während wir unsere Boote an Land ziehen winkt aus einer großen stallähnlichen Halle ein Mann mit Cappy zu und ruft ¨Ich komm gleich her!¨ Wenig später werden wir dann vom Zeltplatzeigentümer mit Handschlag begrüßt und zur Anmeldung begleitet. Die befindet sich in einem länglichen Gebäude neben der mit Bäumen bestandenen Zeltwiese. Wir füllen die Kurkartenanmeldung aus und erhalten eine kleine Einweisung in die Gepflogenheiten des Platzes. Viele Regeln gibt es hier (z. B. Feuer nur an der ausgewiesenen Feuerstelle zu machen, die Kocher auf die bereitgestellten Gehwegplatten zu stellen usw.) was bei Google anscheinend einige Zeltplatzgäste zu negativen Bewertungen veranlasst hat. Wir finden das aber nicht weiter dramatisch, da wir aus vergangenen Paddeltouren schon wissen, dass das Leben auf dem Zeltplatz nur gut funktioniert, wenn alle aufeinander und auf die Ausstattung des Platzes acht geben.
Und die Ausstattung ist hier wirklich ganz genau auf zeltende Gäste (Wohnmobile und Campingbusse sucht man hier vergebens) abgestimmt. Es gibt einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit Kamin, Fernsehecke und Kühlschränken für die Gäste. Sogar Schließfächer, in denen man sein Handy aufladen kann, hat man aufgestellt. Draußen gibt es noch einen Spielplatz, einen Beachvolleyballplatz und einen Fußballplatz. Die nutzen wir zwar nicht, freuen uns jedoch über die als Begrenzung aufgespannten Wäscheleinen. Hier hat man wirklich an alles gedacht.
Wir bauen schnell unser Zelt auf und genehmigen uns dann am Ufer des Ostgrabens sitzend noch eine Portion ¨Trek and Eat¨-Tütennahrung. Die ist einfach super-praktisch, wenn man Hunger hat und es schnell gehen muss. Und viel Zeit haben wir nicht mehr, denn schließlich startet um 21 Uhr das Halbfinalspiel der Fußball-EM 2016: Deutschland gegen Frankreich.
Gespannt sitzen wir wenig später mit rund 20 weiteren Fußballfans im Aufenthaltsraum und fiebern mit der deutschen Mannschaft mit. Als es dann 90 Minuten später 2:0 für die Franzosen steht, kriechen wir kurz darauf etwas enttäuscht in den Schlafsack. Dieses Jahr gibt es wohl kein Sommermärchen. ¨Immerhin müssen wir jetzt Sonntag abend nicht unbedingt das Finale gucken, sondern können noch gemütlich draußen sitzen¨, versuchen wir das Ganze positiv zu sehen.